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du Raz │Rückreise
Primel, Cairn de Barnenez,
Carantec, St. Pol, Roscoff bis Porspoder
23. Mai2001
Penvern
Irgendwann werde ich wach, öffne noch im Liegen den
Zippverschluss des Zelteinganges, der Wind lässt die
Seitenklappen flattern und von denen fällt ein Schwall
kalten Kondenswassers auf mein Gesicht herab. Das macht
munter. Als Belohnung darf ich zum sternklaren Himmel
emporblicken und mich entscheiden, was von den beiden
Ereignissen ich als Omen für den Tag auswähle. Ich
entscheide mich für den sternklaren Himmel. Danach
schließe ich wieder die Zeltklappe und schlafe noch eine
Weile, bis ich in der Dämmerung wiederum erwache. Still
ist es auf dem Campingplatz, still und einsam. Im Osten
rötet sich der wolkenlose Himmel, auf dem die Sterne
verblasst sind. Es ist halb 6 Uhr morgens.
Am Abend habe ich noch die Gattin des Verwalters
gefragt, ob denn der Schranken bei der Einfahrt in der
Nacht geschlossen werde. Aus der Antwort auf französisch
habe ich nichts Eindeutiges entnehmen können, aber
wenigstens hat sie mir kein Bier angeboten wie ihr Gatte
am Nachmittag.
Der Schranken ist jedenfalls oben. Ich baue mein Zelt
ab, so sagt man in einschlägigen Kreisen, glaube ich. Da
liegt es jetzt, außen und innen patschnass, in der
taufeuchten Wiese. Ich weiß, man soll ein Zelt nur
trocken verpacken, aber was soll es? Ich rolle es halt
noch nass zusammen, mehrmals, bis es endlich in die
kleine Packtasche passt. Ach ja, die Heringe, die ich
gestern eingeschlagen habe, ziehe ich mit einem Gerät
wieder aus dem Boden, das ich mangels besseren Ausdrucks
Auszieher nennen will. Den haben sie mir im
Sportgeschäft aufgeschwatzt. Jetzt bin ich dem
Aufschwätzer dankbar.
Im Stehen esse ich ein kärgliches Frühstück: Banane
mit heißem Nescafè, packe anschließend alles ins Auto,
vermeide, die Türen zuzuknallen - die Franzosen im
Wohnwagen gegenüber schlafen ja noch. Tun sie aber
nicht, die Französin wenigstens nicht. Zerrauft und
zerknüllt erscheint sie mit einem Kübel mit den
Produkten der Nacht und wandert damit zum
Sanitärhäuschen. Campen hat eine Reihe von Aspekten,
über die man gemeinhin nicht redet.
Da kurz darauf auch der Herr des Wohnwagens
erscheint, samt Schäferhund, den es ins Freie drängt,
brauche ich ja auf deren Schlaf keine Rücksicht mehr
nehmen, starte das Auto und verlasse die gastliche
Stätte noch vor sieben Uhr morgens. Richtung Lannion
fahre ich auf einer kleinen Nebenstrasse, biege wiederum
auf die D786 nach Westen ab und würde jetzt am Morgen
und im zweiten Anlauf die Abzweigung nach Schloss
Rosanbo klaglos finden. In St. Michel en Grève halte ich
an, versuche, die hübsche Kirche zu fotografieren, doch
ich schaffe kein Bild ohne mehrere Autos im Vordergrund
und lasse es bleiben. Ein Ehepaar aus der Schweiz treffe
ich, alle drei stellen wir fest, dass die Bretonen
Langschläfer sind und dass uns Sonogno im Tessin ganz
besonders gefällt.
Außer der Kirche gibt es in dem kleinen Ort nichts zu
sehen. Einen Bäcker müsste es schon geben, aber ich
finde ihn nicht. Hungrig fahre ich daher bis Loquirec
weiter, in dem ich, weil mir der Ort nicht zusagt, nicht
anhalte. Und in St. Jean-du-Doigt lasse ich mir die
Gelegenheit entgehen, ein Stück Finger vom Johannes dem
Täufer anzusehen, welches sie in der dortigen Kirche
aufbewahren.
Sprichwörter und Zitate gibt es für alle möglichen
Anlässe. Sagt man nicht: Der Glaube kann Berge
versetzen? Und sagt man nicht auch, ohne jeden
Zusammenhang natürlich, auch Verschiedenes über die
Leute, denen das Himmelreich sicher ist?
Da die Kirche abgeschlossen ist, bleibt es beim
Anblick der beiden Beinhäuser, die auch abgeschlossen
sind. Nicht abgeschlossen ist die Triumphpforte, denn
sie hat kein Tor, das geschlossen werden könnte.
Durch Plougastel fahre ich durch, halte erst wieder
in Primel-Trègastel am Strand an, besuche den Pointe de
Primel, einen ansehnlichen Felshaufen, von dem aus ich
einen schönen Blick bis nach St. Pol de Leon und nach
Roscoff im Westen habe.
Cairn de Barnenez
Der Küste entlang fahre ich sodann, der Karte nach
und komme gegen elf Uhr zum Cairn de Barnenez. Dort
halte ich. Den Cairn lasse ich mir nicht entgehen.
Der Cairn ist ein bronzezeitlicher Steinhaufen, in
dem sich mindestens ein Megalithgrab, wahrscheinlich
jedoch mehrere, verbirgt. Auf einer Länge von 70 Metern
und mit einer Breite von bis zu 15 Metern finden sich
die runden Grabkammern aus mannshohen Steinen und mit
einem Durchmesser bis zu zwei Metern, mit der Außenwelt
durch jeweils einen entsprechend langen Gang (bis 12
Meter lang) verbunden. Das Ganze ist in zwei Etappen
errichtet worden, deutlich erkennbar an den
unterschiedlich gefärbten Steinen, die von verschiedenen
Steinbrüchen stammen. Diese Grabkammern wurden sodann
bis zu einer Höhe von 8 Metern über dem heutigen Boden
mit Steinen überdeckt. Errichtet wurde der ältere Teil
etwa 4.500 Jahre vor Christus, der jüngere einige
hundert Jahre später.
Was man heute sehen kann, ist nicht das, was die
Menschen der Vorzeit hinterlassen haben. Anfangs der
50er-Jahre hat ein Bretone den Steinhaufen, der
inzwischen von Erde bedeckt war, als Baumaterial
beurteilt und mit dem Abbau begonnen. Dabei wurde
mindestens 1 Grabkammer an der Nordseite beschädigt, ehe
man das Treiben unterbinden konnte. In der Folge wurde
der Cairn archäologisch untersucht; man hat nicht viel
gefunden. Ob im Cairn wirklich 11 Fürsten begraben
wurden, ob die 11 Kammern überhaupt Grabkammern sind,
ist umstritten. Gefunden hat man außer Tonscherben
nahezu nichts.
Cairns gibt es auch anderswo, in Irland etwa, aber
auch in England. In manchen haben sich Skelettreste
gefunden, aber es schaut so aus, als wären die Toten
dort nicht eigentlich bestattet worden, sondern als habe
man eine größere oder kleinere Anzahl von entfleischten
Skeletten aus ihren ursprünglichen Grabstätten
ausgegraben und in den Cairns gemeinsam beigesetzt.
Soweit feststellbar, sind auch nicht immer ganze
Skelette beigesetzt worden, manchmal fehlen Teile der
Skelette. Dass die Dolmen und Cairns Grabstätten sind,
liegt unserem Verständnis nahe. Was wir so gar nicht
wissen, ist, warum sich die Menschen der Vorzeit im
Westen Europas solche Mühe machten, so aufwendige
Anlagen zu errichten: wer den Cairn von Barnenez gesehen
hat, die vielen Steine, mit denen die Kammern überdeckt
wurden, wer bedenkt, dass jeder einzelne Stein einige
Kilometer weit herbeigeschafft werden mussten, sieht
ohne Zweifel, dass solche Cairns Ergebnis vermutlich
langjähriger Bemühungen ganze Bevölkerungsgruppen sind.
Von ihnen wissen wir rein gar nichts: wir kennen nicht
die Sprache, die Volkszugehörigkeit, die Herkunft, die
religiösen Überzeugungen. Welche Überlegung liegt der
Auswahl gerade dieses Platzes, auf einem an sich
unbedeutendem Hügel zugrunde, welche der Anlage der
Kammern mit ihren nach Süden ausgerichteten Zugängen?
Der Cairn von Barnenez ist eine eindrucksvolle
Anlage, einen Besuch unbedingt wert. Der Besuch kostet
etwas. Dafür bekommt man, so Kulturmensch, eine Führung,
wenn nicht, ein kopiertes Merkblatt in Deutsch bzw.
Englisch in die Hand gedrückt. Mich mustert die
Kassiererin kurz und händigt mir wortlos das Merkblatt
in Deutsch aus: Barbaren wie mich erkennt man gleich.
Gegen Mittag lichtet sich der inzwischen eingefallene
Nebel und bei klarem blauen Himmel fahre ich nach
Morlaix, besichtige die Stadt vom Auto aus, was leicht
fällt, denn die Zufahrtsstrasse führt entlang des einen
Ufers des Flusses Dossen bis praktisch ins Stadtzentrum,
und nach Flussüberquerung auf der anderen Seite wiederum
nach Norden Richtung Carantec. Ihr folge ich.
Carantec
Carantec ist ein hübscher Ort. Vom Strand von Kelenn
aus wandere ich auf einem schönen Zöllnerpfad nach
Westen, komme von einem Strand zum nächsten und ganz
besonders schön ist der Strand Le Gréve Blanche mit
hübschen Häusern auf der Landseite und ebenso hübschen
Felsen mitten auf dem Strand - bei Ebbe natürlich,
ansonsten mitten im Wasser. Die Landspitze umrundet,
sehe ich endlich auch die Strasse, die vom Plage du Port
auf die vorgelagerte Ile Callot hinüber führt, einen
weiten Sand- und Kieselstreifen überquerend, der bei
Flut unter Wasser stehen soll. Route submersible heisst
es im Reiseführer. Der Plage du Port ist nicht groß,
umso größer der Sand- und Kiesstreifen davor. In einer
Bar am Strand setze ich mich hin und esse einen Fisch,
nachdem ich in der Speisekarte auf etwas gezeigt habe,
was gut klingt. Fischfilet mit Gemüse ist es, was die
Kellnerin serviert. Dabei habe ich immer die Ile Callot
vor der Nase, baumbestanden, ein kleiner Ort samt
Kirche, weil Kirchturm sichtbar. Trockenen Fußes könnte
ich hinübergehen, doch ich entscheide, ich will
hinüberfahren wie andere es auch tun, denen ich während
des Wartens auf den Fisch zusehe. Unverzüglich eile ich
beschleunigten Schrittes danach zum Auto zurück, denn am
späten Nachmittag kommt gemeinhin die Flut, fahre sodann
den einen Kilometer zur Insel hinüber.
Die Insel ist recht hübsch anzusehen, die Kirche ist
eine Wallfahrtskirche, doch findet die nächste Wallfahrt
erst am 15. August statt. Es sind aber dennoch etliche
Ausflügler mit ihren Autos herüber gefahren, so wie ich.
Nach 14 Uhr fällt mir auf, dass bedeutend weniger
Autos geparkt sind als bei meiner Ankunft. Ich fahre zur
Südküste der Insel zurück und siehe da, der ach so
breite Sand- und Kiesstreifen ist bedeutend schmäler
geworden und die ersten Wellen sind der Strasse schon
recht nahe gekommen. Obgleich ich doch mein ganzes
Gepäck ohnehin im Kofferraum mit mir führe, will ich
gerne zum Festland. Ich schaffe es gerade noch, ehe die
erste Welle die Zufahrtsstrasse überspült. Ich bin bei
Gott nicht der Letzte, der herüber kommt. Auf dem Plage
du Port stehen die Ausflügler, die es geschafft haben
und schauen interessiert zu, wie drüben auf der Insel
immer noch ein weiterer Autofahrer die Strasse unter die
Räder nimmt, dass es richtig spritzt. Der letzte, der es
schafft, ist der Fahrer eines Lieferwagens, der mit
schäumender Bugwelle durch die Fluten pflügt und voll
Begeisterung lacht, als er glücklich auf dem Festland
ankommt. Nur nebenbei: die Einheimischen versuchen
danach erst gar nicht den Weg über die Strasse, sondern
fahren eine Art Schleichweg über den Kiesstreifen, der
als letzter von der Flut überspült wird.
Den Rest des Nachmittags verbringe ich faul am Strand
in der Sonne sitzend und gehe gegen Abend eine Weile im
Ort spazieren. Danach fahre ich zum Strand von Kelenn,
denn dort möchte ich auf einem großen Parkplatz die
Nacht verbringen. Daraus wird indessen nichts: auf dem
Parkplatz versammeln sich gegen Abend anscheinend
sämtliche Mopedfahrer Carantecs und Umgebung, fahren mit
ihren Gefährten knatternd im Kreis und schauen neugierig
zu dem Ausländer herüber, der mit seinem Auto ihre
Kreise stört. Als zusätzlich auch noch die betuchte
Gesellschaft Carantecs in ihren Autos vorfährt und in
den Restaurants am Strand endlos zu Abend speist und
sich auch gegen 22 Uhr nicht anschickt, zu verschwinden,
die Mopedfahrer auch nicht weniger werden, da beschließe
ich, dass ich auf dem Strand von Kelenn nicht
übernachten werde. Als sich auch der Parkplatz des Plage
du Port als überlaufen erweist, denke ich mir, klüger
wäre es gewesen, ich wäre auf der Ile Callot drüben
geblieben. Aber die Ebbe hat noch nicht eingesetzt, die
Zufahrt ist noch unter Wasser.
St. Pol de Leon
Ich versuche mein Glück in St. Pol de Leon, wo ich
bei Sonnenuntergang ankomme. Auf der Hafenmole parkt
eine lange Reihe von Wohnmobilen. Neben ihnen stelle ich
mein Auto ab und schlafe anschließend friedlich und
ungestört ein - keine Restaurantbesucher stören mich und
keine Mopedfahrer.
24. Mai 2001
Lange schläft man in den
Wohnwagen, ich in meinem Auto ebenfalls, bis ein Herr
sein Auto neben meines stellt, geräuschvoll Türen und
Kofferraumdeckel auf- und zuklappt und sich schließlich
samt Angelzeug zu einem Boot im Hafen begibt. Das Boot
ist kleiner als er selbst, erinnert mich an die
Waschtröge, in denen ich als Kind gebadet wurde, nur ist
diesmal das Wasser draußen.
Christi Himmelfahrt. Nicht nur in den Wohnwagen
schläft man lange, auch in St. Pol tut man das gleiche.
Immerhin, die Bäckerei hat um acht Uhr morgens schon
geöffnet, in der Bar daneben sitzen ausschließlich
Männer, trinken Kaffee und lesen die - aber nur für mich
- unleserliche Zeitung. Vom Parkplatz vor der Kirche Nr.
1 (Kathedrale) spaziere ich durch Nebenstrassen zur
Kirche Nr. 2 (Chapelle Notre-Dame-du-Kreisker), die nur
einen Turm hat, dafür höher als die zwei Türme der
Kathedrale. 77 Meter ist er hoch, doch soll der
Treppenaufgang so eng und niedrig sein, dass große
Menschen besser unten bleiben, wollen sie nicht stecken
bleiben, raunt die Fama. Ich bleibe schon deshalb unten,
weil um diese Tageszeit der Turm natürlich nicht zur
Besichtigung offen steht. Dass man von oben aus eine
schöne Aussicht hat, glaube ich gerne, kann es hier aber
leider nicht aus eigener Erfahrung bestätigen. Sei's
drum. Einige Fotos mache ich unten auf der Strasse.
St. Pol ist ein behäbig wirkendes, altmodisch
ausschauendes Städtchen. In einer Seitenstrasse komme
ich zu einem aufgelassenen Schuhgeschäft: Die
Einrichtung ist noch vollständig vorhanden, ohne Schuhe
natürlich; in der Auslage, auf der Theke, in den Regalen
liegen behaglich in allen möglichen Stellungen so an die
10 dicke Katzen und träumen vor sich hin. Eine weitere
sitzt in der Auslage, dreht sich auf den Rücken, als ich
vor die Scheibe trete und hebt spielerisch eine Pfote.
Mit den Augen folgt sie den kreisenden Bewegungen meiner
Hand - ich weiß ja schließlich, dass man als Mensch
denKatzen Unterhaltung bieten muss. Eine Passantin
schaut mich merkwürdig an und ich verabschiede mich von
der dicken Katze hinter der Scheibe. Wird schon noch ein
anderer vorbeikommen und ein neues Spiel beginnen.
Ohne Halt geht es bis nach Roscoff, das ich von
früheren Reisen nach Irland schon kenne. Die Stadt
selbst wirkt noch wie ausgestorben, an der Hafenbucht
herrscht schon mehr Leben. An der Mole des alten Hafens
steht eine Menge Leute und wartet ungeduldig aufs
Schiff, das sie zur Ile de Batz bringen soll. Allerlei
Sehenswürdiges gibt es dort, von der romanischen Kirche
bis zu nahezu südländischer Vegetation (von wegen
Golfstrom). Ich gehe statt dessen ins (kleine)
Stadtzentrum mit seiner gotischen Kirche mit
verschnörkeltem Turm und passendem Beinhaus neben der
Kirche. Auf dem Kirchplatz ein riesiges Zelt, wie bei
unseren Bierfesten, aber noch ohne Gäste. Die
Hafenpromenade schlendere ich entlang, Richtung der am
östlichen Ende des Hafenbeckens gelegenen Kapelle auf
einem Felsvorsprung (mit obligatem Westwall-Bunker
darunter und darauf aufgebautem Häuschen). Ich gehe auch
die paar Schritte zur Kapelle hinauf - ich habe von dort
einen umfassenden Ausblick auf die Stadt Roscoff und,
wenn ich mich umdrehe und nach Osten blicke, auf den
modernen Hafen, in dem die Fährschiffe nach Irland und
nach England anlegen. Gesten in Carantec habe ich in der
Ferne diesen Hafen gesehen, mit weißem Schiff. Heute
morgen ist kein Schiff mehr da, das Becken ist leer.
Und ein Museum besuche ich, weil es einen so
seltsamen Namen hat: das Maison de Johnnies. Das waren
fahrende Händler überwiegend aus Roscoff und der
unmittelbaren Umgebung, die im Süden Englands von Haus
zu Haus zogen und den Hausfrauen, die sie wollten, die
Zwiebeln verkauften, für die damals Roscoff und St. Pol
bekannt gewesen sind.
Plouescat
Anschließend geht es nach Plouescat. Dorthin komme ich
während der Sonntagsmesse; kärglich die freien
Parkplätze vor der Kirche, aber in einer Seitengasse
finde ich dann den großen öffentlichen Parkplatz und
habe nur ein paar Schritte zur Attraktion des Ortes: der
Markthalle. Markthallen sind anderswo nur selten
Attraktionen, in Plouescat ist das anders. Erstens
stammt sie im Kern noch aus dem 16. Jahrhundert,
zweitens ist sie aus Holz (was mich zweifeln lässt, dass
ich vor der Original-Markthalle aus dem 16. Jahrhundert
stehe) und zweitens ist es ein sozusagen im Erdgeschoss
offener Holzständerbau mit mächtigem Ziegeldach darüber.
Ein Foto ist die Markthalle sicherlich wert.
Bei der Rückkehr zum Auto fallen mir die seltsamen
Gewächse auf dem Feld neben dem Parkplatz auf: ein
ganzes Feld voll mit Artischocken. Habe ich noch nicht
gesehen. Soll in der Gegend aber nichts besonderes sein,
denn Plouescat ist angeblich aus zwei Gründen weithin
bekannt: wegen seiner Markthalle und als Zentrum des
Artischockenanbaus.
Brignogan-Plages
Solcherart gebildet fahre ich, überwiegend fern der
Küste, nach Norden, bis ich nach Brignogan-Plages komme.
Der Strand gefällt mir nicht besonders. Er ist hübsch,
gewiss, aber da habe ich irgendwo ein Foto gesehen .....
Der Stadtplan gibt Auskunft: da gibt es den Phare de
Pontusval im Westen. Auf einigermaßen verwinkelten
Strassen gelange ich schließlich zum großen Parkplatz
neben einem ebenso großen und mehr oder minder leer
stehendem Hotel. Der Strand hinter einem Steinwall ist
hübsch anzusehen. Ich wandere zu den Granitklöpsen beim
Leuchtturm vor, noch immer nicht ganz befriedigt. Sollte
ich mich getäuscht haben? Als ich den Felsvorsprung
überklettert habe, weiß ich, wohin ich eigentlich
wollte: vor mir liegt der Plage du Phare und der schaut
genau so aus, wie ich mir die Granitküste immer
vorgestellt habe: ein goldgelber Sandstrand und
stellenweise an der Wasserlinie vom Wind und von den
Wellen gerundete Granitfelsen. Und hinter dem Strand
sehe ich auch einen halb leeren Parkplatz. Also gehe ich
wieder zum Auto zurück und fahre kreuz und quer, finde
schließlich den passenden Wegweiser und an einer
romanischen Kapelle vorbei komme ich endlich zum
Parkplatz.
Da steht dann der obligate Spaziergang am Strand auf
dem Programm, vorbei an kleinen Badebuchten, gegen Land
abgedeckt durch hausgroße Granitfelsen, kleine Tümpel,
in denen noch das Wasser der Flut steht, an kleinen
Bächen und immer wieder abenteuerlichen Felsformationen
aus Granit. Strahlend scheint die Sonne, der Wind weht
nur schwach, das Wasser wirkt dunkelblau, es ist warm.
Badewetter. In der Nähe des Parkplatzes lasse ich mich
nieder, strecke mich im Sand aus, der eigentlich ein
ganz feinkörniger Kies ist, jedes Körnchen vielfarbig
gesprenkelt. Es ist schön.
Übermütig geworden und verlockt von den begeisterten
Schreien im Wasser pritschelnder Kinder will ich nicht
abseits stehen, kremple mir die Hosenbeine hoch und wate
ins Wasser. Direkt am Ufer ist das Wasser ja noch
erträglich, als ich jedoch bis zum Knöchel im Wasser
stehe, habe ich das Gefühl, mir fallen die Füße ab, so
kalt ist das Meer. Wie man da vor Begeisterung brüllen
kann, verstehe ich nicht, aber es ist so. Definitiv: es
sind keine Entsetzensschreie, die ein kleines Mädchen
ausstößt, während es bis zum Hals im Eiswasser
untertaucht.
Erfrischend ist es aber schon, auch nur bis zu den
Knöcheln ins Wasser zu gehen und befriedigt kehre ich zu
meinem Kleiderhaufen zurück und lege mich wieder in die
Sonne. Eingeschlafen bin ich prompt. Wach werde ich erst
nach beinahe zwei Stunden, als ich es halb im
Unterbewusstsein glucksen höre. Die Flut hat eingesetzt,
der Strand ist nur mehr halb so breit, die Felsen, um
die ich mittags herumgegangen bin, sind Felsklötze im
Meer, von den Wellen umgischtet. Ich selbst liege auch
nicht mehr sozusagen allein auf weiter Flur, halb
Frankreich hat sich um mich her niedergelassen und freut
sich des schönen Nachmittags. Der Kenner kommt erst
nachmittags: da ist es wärmer und es ist nicht so weit
zum Wasser.
Bis fünf Uhr nachmittags bleibe ich, dann fahre ich
vom Parkplatz weg und habe Schwierigkeiten beim
Wegfahren, weil weit mehr Leute an den Strand gefahren
sind als Parkplatz vorhanden ist. Dieses Problemchen
überwunden, geht es bis Lilia weiter, einem kleinen
Hafen, wo ich anhalte und zu Abend esse: frugal
Baguette, Ziegenkäse und gesalzene Butter. Doch finde
ich keinen abgelegenen Platz für die Übernachtung im
Auto. Daran ändert auch nichts, dass vor der Küste ein
82 Meter hoher Leuchtturm steht, den ich, vom
Aussichtspunkt auf dem Festland aus, gebührend
besichtige.
Eine tief ins Land eingeschnittene Flussmündung fahre
ich daher nach Süden, überquere den Aber W`rach genannte
Mündung auf einer Brücke, fahre weiter landeinwärts und
über den Aber Benoit und dann auf Nebenstrassen nach
Portsall.
Portsall
Warum Portsall? Erstens ist dort im Jahr 1978 der Tanker
Amoco-Cadiz auseinander gebrochen und gesunken und hat
die Küste viele Kilometer weit mit einer unappetitlichen
Ölkruste verunziert. Daran erinnert heute nichts mehr,
außer der riesige Anker des Schiffs, der am meerseitigen
Ende der Hafenbucht ein kleines Denkmal verunziert. Dort
stelle ich das Auto für die Nacht ab. Da ich ja noch
Zeit habe - vor 22 Uhr wird es nicht dunkel - spaziere
ich durch den netten Ort und wundere mich über die
vielen gut besuchten Lokale. Zum Auto zurückgekehrt, bin
ich nicht mehr der einzige, der auf den Sonnenuntergang
wartet: einige Einheimische lehnen am Geländer der Mole
und sehen zu, wie die Sonne langsam im Meer versinkt -
bzw. sich langsam anschickt, es zu tun, während ein
kühler Wind weht. Ich sitze im Auto und lese im
Reiseführer, aber nicht lange, denn mit Gekreisch
erscheinen zwei Mopedfahrer, die mit quietschenden
Reifen und jaulenden Motoren ums Denkmal herumkurven und
sich ihre Geschicklichkeit beweisen wollen. Natürlich
kommt es, wie vorherzusehen. Einer der beiden verliert
die Beherrschung über sein Maschinchen, stürzt,
schlittert ein paar Meter über den Gehsteig, die
Maschine auch, wobei Teile der schnittigen Verkleidung
zerbrechen. Der Gestürzte humpelt von dannen, sein
Gefährte hebt das halb entkleidete Moped auf, startet,
der Motor läuft, der Hinkende steigt als Beifahrer auf
und das Spiel beginnt von vorne. Nicht ganz, denn es
erscheinen mit heulenden Motoren und quietschenden
Reifen weitere Mopedfahrer und brausen mit großem Lärm
über die gekiesten Wege des neben dem Denkmal
befindlichen Mini-Parks - gewiss ein sinnvoller und
nützlicher Zeitvertreib, der in kleinen Orten an der
Küste der Bretagne zur abendlichen Unterhaltung zu
gehören scheint.
Als sich zu der munteren Schar, die nicht müde wird
mit dem Unsinn, noch weitere Gleichgesinnte gesellen und
die Sonne partout nicht untergeht, entscheide ich, dass
auch Portsall kein geeigneter Ort für ein Nachtquartier
ist und fahre weiter.
Gut habe ich getan, denn bis zum Ortsende begegnen
mir gezählte weitere fünf Mopedfahrer, die zielstrebig
zur Hafenmole brausen. In Portsall ist man ohne Moped
offensichtlich ein Niemand.
Porspoder
Durch allerlei Orte komme ich, die alle irgendwie
ungastlich wirken. Inzwischen ist die Sonne wirklich
untergegangen, es wird schnell dunkel. In einem Dorf
namens Porspoder komme ich zu einem großen gekiesten und
eher schlecht beleuchteten Dorfplatz, an dessen Rand ich
mich, neben einem Bach so einparke, dass ich im Schatten
der Bäume stehe und das Auto nicht von den ohnehin
spärlichen Straßenlaternen beleuchtet wird.
Sogleich schlafe ich ein. Mitten in der Nacht werde
ich wach, weil ich Schritte neben dem Auto höre, aber
niemanden sehe. Ich sehe in Wahrheit überhaupt nichts,
denn Porspoder ist eine sparsame Gemeinde und hat in der
Nacht die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet. Da die
Schritte wieder verklingen, wird es wohl ein
Spätheimkehrer gewesen sein, der über den Dorfplatz
ging. Der Rest der Nacht verläuft ungestört.
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